Der Start in eine Lehre kann für Jugendliche mit Lernschwierigkeiten wie Dyskalkulie eine grosse Herausforderung sein. Doch mit der richtigen Unterstützung lassen sich auch solche Hürden erfolgreich meistern.
Welches sind die wichtigsten Eckpunkte in deinem bisherigen Berufsleben?
Auf jeden Fall die drei Jahre als auszubildende Malerin bei der GLB Berner Mittelland in Thörishaus. Vor meiner Lehre habe ich das 10. Schuljahr in Freiburg absolviert. Nun bin ich 80% als Malerin EFZ angestellt und besuche nebenbei noch eine Sprachschule.
Beruf: Malerin
Arbeitsort: GLB Berner Mittelland
Alter: 20 Jahre jung
Bei der GLB seit: 4 Jahren
Vanessa Bertschy
Warum hast du dich für diesen Werdegang entschieden? Was hat dich motiviert?
Aufgrund meiner Dyskalkulie habe ich das 10. Schuljahr absolviert. Dyskalkulie ist eine Schwäche im Fachbereich Mathematik. Räumliches Vorstellungsvermögen gehört auch dazu. Im 10. Schuljahr gab es einige Unterbrüche aufgrund der Coronazeit. Da habe ich Zuhause viel selbst gearbeitet und gemalt. Mir wurde bewusst, dass ich inzwischen bereit war, etwas anderes zu tun, als die Schule zu besuchen. Ab diesem Zeitpunkt habe ich für einige Berufe Schnuppertage absolviert. Der Malerberuf hat mich besonders in seinen Bann gezogen. Dazu muss ich jedoch sagen, dass ein Teil meiner Familie bereits in dieser Arbeitsgattung tätig ist und es daher nicht ganz etwas Neues für mich war. Mein Vater, sein Bruder und meine beiden Grossväter sind Maler. Wir sind sozusagen eine Malerdynastie. (lachend).
Gab es auf dem Weg Hürden, welche besonders hoch waren?
Durch die Dyskalkulie hatte ich schon in der Grundschule Schwierigkeiten, vor allem beim Rechnen. Von klein auf habe ich einen Nachteilsausgleich, sodass ich jeweils für die Rechenarbeiten mehr Zeit erhalten habe. Diese Nachteile zeigen sich in meinem Beruf am ehesten beim Tapezieren oder beim Nachmessen. Das ist wirklich sehr herausfordernd für mich. Jedoch ist es auch mit einer Dyskalkulie möglich, einen solchen Beruf zu lernen. Es ist wichtig, sich zu informieren und offen mit dieser Schwäche umzugehen.
Hatte die Dyskalkulie Einfluss auf deine Ausbildung oder den Umgang mit deinem Ausbildner?
Grosse Unterstützung habe ich von meiner Mutter erfahren. Sie ist selbst Lehrperson und konnte mir da sehr helfen. Da ich schon beim Lehrvertrag Unterschreiben meine Schwäche offengelegt habe, wurde von Beginn an Hilfe angeboten. Das war sicher das Richtige. Ich hatte wirklich gute Klassenlehrer, daher konnte ich meistens auf zusätzliche Hilfe des Ausbildners verzichten.
Was gefällt dir in deiner heutigen Funktion besonders?
Nach der Lehre ist es toll, dass du freier und selbstständiger unterwegs sein kannst. Für mich hat sich eigentlich nicht sehr viel geändert, da ich schon etwas älter in die Lehre kam und bereits früher Auto fahren konnte. Dadurch erhielt ich schon in der Lehrzeit kleinere Aufträge zum selbstständig erledigen.
«Letzten Frühling/Sommer sanierten wir ein kleines Stöckli. Dort lasierten und ölten wir viel Holz. Diese Arbeiten mache ich besonders gerne.»
Vanessa Bertschy, Malerin EFZ der GLB Berner Mittelland in Thörishaus
Was ist jetzt anders als in der Lehrzeit, wie hast du diese Veränderung erlebt?
Der Küken-Bonus ist schon etwas weg jetzt (lachend). Die Zeit muss ich mir nun gut einteilen, damit die Arbeiten fristgerecht fertig sind. Da wird inzwischen mehr erwartet von mir als in der Lehrzeit. Eigenverantwortung wird hier wirklich gefördert. Also wenn ich schon am Vormittag sehe, dass die Zeit wohl nicht reicht, das Projekt abzuschliessen, dann gebe ich Thomas Bescheid, damit wir Lösungen dafür finden. Dieses Einschätzen der Machbarkeit wird von mir schon erwartet.
Gibt es ein Highlight während deiner bisherigen Karriere?
Verschiedene Highlights. Es sind kleinere Baustellen, welche wirklich toll gelungen sind. Als ich das erste Mal eine bunte Wand streichen konnte. Oder Arbeiten an einem alten Herrenhaus, an welchem auch der Heimatschutz beteiligt war. Beispielsweise in Bern in der Länggasse, in welcher wir eine Altbauwohnung neu streichen durften. Ich bearbeite gerne alte Gegenstände oder Gebäude und mache sie wieder schön. Meistens sind für solche Projekte mehr Zeit eingeplant und es werden andere Materialien für die Bearbeitung genutzt als üblich.
Wie bringst du alles unter einen Hut?
Für mich ist ein guter Ausgleich wichtig. Ich besuche wöchentlich einen Yoga Kurs, gehe gerne Tanzen und besuche oft die Pferde bei meiner Familie zu Hause. Das hilft mir abzuschalten.
Was macht der Beruf als Malerin aus?
Wenn wir kommen, sieht es schlimm aus. Wenn wir dran sind, wird’s noch schlimmer. Jedoch, wenn wir fertig sind, ist es einfach wunderschön (lächelnd).
Würdest du rückblickend etwas anders machen?
Momentan bin ich sehr zufrieden. Daher nein.
Wie sieht es bei dir Zuhause aus?
Ich bin da voll die Klischee-Malerin. Bei mir Zuhause sieht es sehr farbig aus. Vor einiger Zeit habe ich einen alten Schrank restauriert und im Wohnzimmer haben wir eine türkis/petrol farbige Wand. Es passt alles schön zusammen.
Welche Ziele liegen noch vor dir, beruflich und evtl. auch privat?
Wir sind für die Lernenden in unserer Abteilung daran, wieder mehr Struktur zu schaffen. Die Lernenden liegen mir sehr am Herzen. Das passt auch zu unserer Abteilung. Die Oberstiften waren immer sehr hilfsbereit und haben dafür gesorgt, dass ich einen guten Einstieg habe und mich gut entwickle. Dies möchte ich gerne weitergeben.
Weiter möchte ich später noch ein Sprachdiplom machen, dafür besuche ich nun schon die Sprachschule. Reisen möchte ich natürlich auch noch ein wenig. (lächelnd).
Liebe Vanessa, danke für diesen Einblick in dein Leben und Alltag. Es ist schön, eine so motivierte, engagierte und aufgestellte Persönlichkeit in der GLB Family zu haben.